Gespräch mit dem Betreiber der Gaststätte „Wirtshaus Max & Moritz„. Michele fragt: Na, wie wars, habe so keinen tosenden Aplaus gehört hier vorne am Tresen. Haben die Holländer denn Spaß? Ich sage: Das kann ich nicht sagen, jedenfalls habe ich nicht den Eindruck, dass ich allzu sehr störe. Ja, es gibt sogar Momente, wo ich so etwas wie eine Entspannung bei den Leuten fühle. Weißt Du, wenn die Leute so quatschen, was das Zeugs hält, dann gibt es ja immer eine/n die/der die ganze Zeit nichts sagt. Weniger weil er/sie nicht was zu sagen hätte, sondern eher, weil es nicht ihr oder sein Ding ist, herumzuschreien.
Und dann ist dann vielleicht gerade so eine Lücke im Redeschwall der Gesellschaft, und da kommt plötzlich aus der Ecke ein Ton. Genau in diesem Moment, in dem die schweigende Person etwas sagen müßte, kommt das so ein Klavierton daher und spricht sozusagen für diesen stillen Menschen, so dass die anderen lauteren und redefreudigeren für einen kurzen Moment inne halten und dann merken, ach da gibt es ja noch etwas anderes, etwas, das vielleicht nicht so einfach zu sagen ist, ja, wer weiss, denkt der eine oder die andere sogar, da wurde wirklich etwas gesagt von den stilleren TischgenossInnen.
Hier bekommt für mich die Arbeit als Lounge- und Ambient-Pianist Sinn: Diese stillen Momente zu unterstützen oder gar zu initieren. Mein Job besteht also weniger darin den musikalischen Partyclown zu markieren, als zu einer Art ausgeklügelten interaktiven Klangtapete zu werden. Dazu eignet sich übrigens am besten eigenes Ton-Material. Die amtlich korrekte Version von ‚Candle in the Wind‘ oder ‚Amélie‘ hat sowieso meistens einer der Gäste besser drauf als ich! Michele nickt verständnisvoll und schickt die nächste Ladung Bier an den Tisch N° 4.
(Video: Navina Clever & Polina Wanat, Vogelfrai-Filmproduktion)